In diesen Tagen wird das Lebenswerk von Herbert Ewe in all seinen Fassetten beleuchtet: er wäre am 20. Juli 2021 100 Jahre alt geworden.
Viele kannten ihn als Stadtarchivar in der Badenstraße und später als Bauherr bei der Umgestaltung des Johannisklosters als Erweiterungsbau für das Stadtarchiv. Bei den Freilegungsarbeiten wurden zahlreiche historische Befunde freigelegt, vor allem Wandmalereien und Grabungsfunde aus der Zeit des Franziskaner-Klosters.
Während der 60er und 70er-Jahre veröffentlichte er seine Funde und wissenschaftlichen Ergebnisse in zahlreichen Publikationen und wurde in der Fachwelt und bei den Stralsundern immer bekannter. Dabei kam ihm sein rhetorisches Talent sehr entgegen. Herbert Ewe gelang es, bei begrenzten finanziellen Mitteln, aber mit höchstem persönlichem Einsatz, dieses großartige Bauwerk in all seinen Bereichen wieder begeh-und erlebbar zu machen. Bei den Grabungsarbeiten und bei der Neugestaltung der Räumlichkeiten war er auf die Mithilfe von Feierabendbrigaden angewiesen. Sowohl Arbeitskollektive von der Volkswerft als auch Freiwillige von der Offiziershochschule Schwedenschanze und von Handwerksbetrieben standen sonnabends freiwillig auf den Baustellen des Johannisklosters zur Verfügung. Das Kloster beziehungsweise das Stadtarchiv wurden zum Aushängeschild der Stadt Stralsund. Zahlreiche Persönlichkeiten besuchten die Einrichtung. Neben der politischen Führung der DDR kamen auch Staatsgäste wie der Ministerpräsident von Schweden Olof Palme 1984 und später nach der politischen Wende der Bundespräsident Richard von Weizsäcker, die Ministerpräsidenten des Landes MV, das schwedische Königspaar, Prinz Charles und Bundeskanzler Helmut Kohl, aber auch Wissenschaftler der Universitäten Greifswald, Rostock und Stockholm.
Vor der Wende konnten sich Arbeitskollektive der Werft und anderer Betriebe zu einer Führung bei Herbert Ewe und seinen Mitarbeitern anmelden und wurden von ihnen durch das Stadtarchiv und vor allem durch die Archivräume und die Barockbibliothek des Johannisklosters geführt und manch Schoppen Rotwein aus Zinnbechern getrunken. Viele wissenschaftliche Veranstaltungen des Klinikums Stralsund hatten im Rahmenprogramm stets einen Besuch des Johannisklosters angekündigt und wurden zu einem Markenzeichen.
Herbert Ewe wurde 1984 für seine Verdienste zum Ehrenbürger der Stadt Stralsund berufen.
Im Herbst 1989 wurde der Verfall der Altstadt zu einem Schwerpunkt in der politischen Auseinandersetzung. Obwohl Herbert Ewe 1986 in den Ruhestand verabschiedet wurde setzte er sich an die Spitze dieser Bewegung und wurde zum Sprachrohr der Bürgerbewegung.
Regelmäßig trafen sich 20 bis 30 Stralsunder im Scheelehaus in der Fährstraße und diskutierten, wie man den weiteren Verfall der Altstadt verhindern könnte. Diese Bürgerinitiative bzw. das Bürgerkomitee „Rettet die Altstadt Stralsund“ stellte im Dezember 1989 an die Stadtverordnetenversammlung die Forderung, einen sofortigen Abrissstopp für die Altstadt zu beschließen. Diese Forderung wurde von der „ Gruppe der Stralsunder 20“ übernommen.
Am 17. Januar 1990 verfasste er einen Brief an die damalige Bundesbauministerin Gerda Hasselfeldt in Bonn und bat um finanzielle, materielle und ideelle Hilfe beim Wiederaufbau der Altstadt Stralsund.
Am 14. Februar 1990 initiierte Herbert Ewe und die Bürgerinitiative eine öffentliche Veranstaltung im Löwenschen Saal des Rathauses zur Rettung der Altstadt.
In die ausliegenden Listen trugen sich über 300 Unterstützer ein – es war eine eindrucksvolle Aufbruchsstimmung!
Vermutlich haben diese Aktivitäten maßgeblich dazu beigetragen, dass Stralsund im Frühjahr 1990 vom Bundesbauministerium als Modellstadt für MV berufen wurde.
Inzwischen gab es intensive Beziehungen zum Stralsunder Heimatkreis, der eine Heimatstube in Burg/a. Fehmarn unterhielt. Im Herbst 89 nahmen H. Ewe und ich an dem letzten Treffen teil, bei dem er ein paar Grußworte aus Stralsund überbrachte und die Auflösung des Heimatkreises beschlossen wurde.
Da man nicht wusste, wohin die Reise geht und ob die damalige Notenbank der DDR (heutige Deutsche Bank) mit DM- Spenden sorgsam umgehen kann, wurde am 15.Febr. 90 der Förderverein „Rettet die Altstadt Stralsund zu Lübeck“e.V. eingetragen. In Stralsund selbst konnte der Verein erst am 24.01.91 ins Vereinsregister eingetragen werden, denn es gab in der DDR kein Vereinsrecht.
Es gab zahlreiche Treffen in Lübeck und Stralsund und Herbert Ewe war der „Fels in der Brandung“. Gerne denken wir an die JHV in der Heilgeistkirche, an die gemeinsame Fahrt nach Hiddensee mit einem mitreißenden Vortrag von Herbert Ewe auf dem Fahrgastschiff.
Gerne erinnere ich mich an die Diskussionsrunden im Scheelehaus und bei ihm zuhause in der Karl-Krull-Straße, die er gerne im Beisein seiner Frau Anni mit einem Gläschen Hochprozentigen abschloss.
1993, als die Vereine aus Lübeck und Stralsund zusammengelegt wurden, schied Herbert Ewe als Vorsitzender aus und war seitdem unser Ehrenvorsitzender. Die Hansestadt und unser Verein sind ihm unendlich dankbar. Und wir erinnern uns gerne an die Veranstaltungen unseres Vereins im Kapitelsaal(Sakristei), die Konzerte und Vorträge im Saal, das Kalte Büfett im Kreuzgang anlässlich unserer Jahreshauptversammlung(vermutlich 1993) oder die Kaffeepause im Kreuzganghof.
Dieter Bartels